Freitag, 28. Dezember 2012

"You Don't Mess With the Zohan" Review

I. Einleitung

Im Folgenden möchte ich den Film You Don’t Mess with the Zohan aus dem Jahre 2008 mit dem sogenannten kulturellen Anderen kontextualisieren. Der Film spielt, wenn man so will, in zwei verschiedenen Kulturräumen, im nahöstlichen und amerikanischen und wurde auch in diesen gedreht. Ich möchte im Sinne der kulturgeschichtlichen Identitätskonzepte bestimmte Charaktere betrachten und die im Film gezeigte Konstruktion und Dekonstruktion dieser Identitäten ermitteln. Im Film gibt es zwei bzw. drei große Identitätskonzepte. Palästina - Israel - Amerika. Für die folgende Analyse habe ich drei Szenen aus dem Film gewählt, die für meine Fragestellungen exemplarisch sind. Die erste Szene ist die Unterhaltung zwischen Zohan und seinen Eltern, in der er ihnen mitteilt, dass er anstelle seiner Tätigkeiten im Mossad, Haare schneiden möchte. Als Zweite seinen inszenierten Tod und die davor stattfindenden Unterhaltungen mit seinen Gegnern. Als Dritte die Unterhaltung mit Dalia während eines Spaziergangs durch den Central Park in New York. Zuvor möchte ich noch kurz auf die Entstehungsgeschichte des Films eingehen.


II. Hauptteil
A. Entstehungsgeschichte


In einem Interview geführt von Nathan Rabin im Juni 2008 spricht Robert Smigel, neben Adam Sandler und Judd Apatow einer der Drehbuchautoren, darüber, dass der erste Entwurf für den Film bereits im Sommer 2000 fertig war . Jedoch wurde das Konzept nach dem 11. September 2001 ad acta gelegt. Es wurde auch darüber nachgedacht, ob die Länder und der Nahostkonflikt überhaupt thematisiert werden sollten, bzw., an ihrer Stelle ein fiktionaler Konflikt von fiktionalen Ländern. Inwiefern eine Fiktionalisierung dazu beigetragen hätte, dass der Nahostkonflikt im Film nicht erkennbar gewesen wäre, sei dahingestellt. Angesichts der Tatsache, dass Adam Sandler als einer der Autoren und Protagonisten im Film mitspielt, ist der Bezug zum Nahostkonflikt naheliegend. Angesichts dieser Entstehungsgeschichte, wird es kaum wundern, dass dieser Film nicht versucht „to imply that there's an easy solution to the disputes over there“, wie das Smigel im Interview ausführt. Nein, sonst hätten die Autoren sich eventuell auch damit befasst, ob der Film nach dem Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000 dem israelisch/palästinensischen Publikum zuzumuten wäre . Besser als mit „over there“ kann wohl die amerikanische Perspektive nicht untermauert werden.


B. Szene I: Unterhaltung mit den Eltern 00:07:51 --> 00:11:02

In dieser Szene wird die Identität der Israelis/Israelinnen mit Symbolen und Mythen durch verschiedene Aussagen konstruiert . Einerseits wird ein Generationsmythos bemüht. Ya’akov, Zohans Vater, wirft der jüngeren Generation vor, dass sie das Ausmaß des 6-Tage-Krieges immer wieder verkennen, indem sie vergisst, dass er sechs Tage und fünf Stunden gedauert habe. Dieser Mythos, der mit dem Gegensatzpaar alt/jung argumentiert wird, wird dadurch weiter betont, dass die Generation des Zohans noch keinen richtigen Krieg erlebt habe. Zohans Mutter erwidert auf die Frage von Zohan, wann der Kampf endlich enden würde, „They've been fighting for 2000 years. It can't be much longer“. Interessant, dass sie they sagt. Damit dehnt sie die kollektive Identität aus, auf die Vorgänge in der Region lange vor der Staatsgründung Israels. Auf alle Gruppen, Ethnien, die seit 2000 Jahren dieses Land als ihres ansahen .

Als Symbol dient in dieser Szene vor allem das Essen als Signifikat für den Aufbau der israelischen Identität. Humus und Baba Ganoush sind die Signifikanten dafür. Wie bei Landwehr dargestellt, beruht die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant auf kultureller Übereinkunft . Da der Name der bezeichneten Gerichte seinen Ursprung im Arabischen hat, zeigt sich dadurch die Dynamik der Identitätskonzeption. Der Umgang mit Humus im Film generell, zeigt stereotypisiert, wie sehr sich die Menschen in Israel Humus zu ihrer nationalen Identität oktroyieren. Zohan putzt sich mit Humus die Zähne, sein Vater gibt anstelle von Zucker Humus in den Kaffee. Er tunkt eine Hühnerkeule und seine Brille in den Humus, um ihn danach zu essen.

In dem Moment, wo Zohan seinen Eltern mitteilt, dass er Haare schneiden und stylen möchte, offenbart er ihnen damit eine ihnen noch nicht bekannte Identität von sich. Die Reaktion der Eltern ist bestimmt von dem Klischeebild, Friseure seien grundsätzlich homosexuell. Sein Vater bezeichnet ihn als ein Feygele, seine Mutter fragt, ob er Vaseline benötige.


C. Szene II: Kampfszene mit inszeniertem Tod 00:11:34 --> 00:15:26

Nach den Formen der kulturellen Begegnung von Urs Bitterli würde diese Szene den Kulturzusammenstoß darstellen. Die Überlegenheit von Zohan im Kampf gegen Phantom, seinem palästinensischen Gegner, und seinen Anhängern wird durch seine übermenschlichen Fähigkeiten ausgedrückt . Die Konstruktion der kulturellen Identität wird durch Zohan dargestellt, indem er zu Beginn der Jagd sich in Superman-Manier entkleidet und darunter ein T-Shirt von Mariah Carey trägt. Während er einen Helfer des Phantoms kampfunfähig macht, streitet er mit diesem, wer länger in diesem Land lebt. Am Ende des Films kommt es dann zur Kulturverflechtung, da die verfeindeten Gruppen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit erkennen. Sie erkennen, dass sie von einem Bauingenieur, der im Film stellvertretend für den Kapitalismus steht, gegeneinander aufgehetzt wurden. Die Filmemacher zeigen damit, wenn sie überhaupt etwas zeigen wollen, dass die verfeindeten Gruppen aus dem Kontext gerissen und von der belastenden Geschichte, wenn man so will, abgekoppelt nicht mehr so verschieden sind, sondern durch ihre Migration einer gemeinsamen Identität angehören . Wenn Edward Said schreibt, dass Orientalismus und der moderne Antisemitismus gemeinsame Wurzeln haben, dann findet sich seine These in diesem Film in einer vereinfachten Form wieder , auch wenn es während des Kampfes den Hinweis eines Palästinensers gibt, dass der Konflikt nicht so „cut-and-dry“ also schablonenhaft sei.
Die finale Auseinandersetzung zwischen Zohan und Phantom, also den Vertretern der beiden verfeindeten Gruppen, wird durch ein Strandtennis, das in Israel als Nationalsport gilt, ausgetragen. Matkot, das in Israel, im Besonderen in Tel Aviv, seit Sommer 2012 ein „kontrovers“ diskutierter Sport ist .


D. Szene II: Spaziergang im Central Park, New York 01:00:23 --> 01:02:45

Die Frage, die der Film aufdrängt, ist nicht, ob man über den Nahostkonflikt lachen darf, sondern, ob man über ihn überhaupt lachen kann. Insofern, ob dieser Konflikt überhaupt das Potenzial hat, um daraus einen Comedy-Film zu produzieren. Dieser Frage ist auch Anthony Oliver Scott nachgegangen und kommt zu dem Ergebnis, dass wenn Yitzhak Rabin einst gemeint hätte, es sei genug des Blutes und der Tränen, dann seien für die Autoren des Films die naheliegenden Ersatzsubstanzen Samen, Urin, Shampoo und Humus . Dazu mussten die Autoren, wie Robert Smigel im Interview meint, den Charakter von Zohan mit Machoismus aufladen. In Israel wird synonym auch Sabres-Mentalität gesagt . Und dieses Sabrestum wird in den Charakter des Zohan durch seinen omnipräsenten Sexualtrieb festgeschrieben. Er ist davon völlig determiniert, mit allen Konnotationen, die der Begriff „sexuell“ in seiner zweihundertjährigen Geschichte auf sich geladen hat . Und so verwundert es auch nicht, dass er den nachmittäglichen Spaziergang als Vorspiel vor dem „bang-boom“ sieht und dies seiner Begleiterin Dalia völlig nüchtern mitteilt.


III. Schluss

You Don’t Mess with the Zohan ist ohne Frage aus einer jüdisch-amerikanischen Sicht. Die Autoren waren bemüht, bei den Witzen, die auf Kosten der Palästinenser_innen gehen nicht inakkurat und beleidigend zu sein. Robert Smigel meint dazu, dass er die Entwürfe und das Drehbuch vorab von Dean Obeidallha, einem Comedian mit palästinensischen Wurzeln, zu lesen gegeben hatte. Fakt ist aber, dass neben zwei Rollen, die von israelischen Schauspielern besetzt wurden, keine Rolle mit einem/r palästinensischen Schauspieler_in besetzt wurde. Abgesehen des gebürtigen Ägypters Sayed Badreya, sind alle Rollen palästinensischer Charaktere von Amerikanern besetzt. Ich frage mich, inwiefern lässt sich also der Film in die Reihe von Publikationen einordnen, über die Edward Said schreibt, wenn er meint, dass Experten, deren Horizont auf die Außenumfahrung ihrer Stadt beschränkt sei, Bücher über Terrorismus oder Liberalismus veröffentlichen . Ich kann Said nichts entgegenhalten und will es auch nicht, wenn er, als ein in Jerusalem geborener Palästinenser, über diese Oberflächlichkeiten, die wir im Westen sozialisierte und lebende Menschen produzieren und uns damit unterhalten, sagt, dass das Schlimmste daran sei, wie damit das menschliche Leid in all seinem Ausmaß und seinen Schmerzen weg gespült wird. Aber um nicht zu pathetisch zu beenden, möchte ich loswerden, dass ich während des Films mehr lachen als denken musste.


Film- und Literaturverzeichnis

Ralf Balke, Israel (Beck’sche Reihe/Länder 886 München 42009).

Franz X. Eder, Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität (München 2002).

Liran Goldberg, Tom Shinan, Matkot HaSof, In: YouTube, 27.06.2012 online unter <http://www.youtube.com/watch?v=pPZO3XX0kJs> (27. Dezember 2012).

Achim Landwehr, Stefanie Stockhorst, Einführung in die Europäische Kulturgeschichte (UTB 2562, Paderborn, München, Wien, 2004).

Nina Paley, This Land is Mine, In: Nina Paley’s Blog, 1.10.2012 online unter <http://blog.ninapaley.com/2012/10/01/this-land-is-mine/> (27. Dezember 2012).

Nathan Rabin, Robert Smigel. In: A.V. Club, 02.06.2008 online unter <http://www.avclub.com/articles/robert-smigel,14249/> (19.Dezember 2012).

Anthony Oliver Scott, Watch Out, He’s Packing a Blow-Dryer, In: New York Times 6.6.2008 <http://movies.nytimes.com/2008/06/06/movies/06zoha.html?_r=1&> (28. Dezember 2012).

Edward Said, Orientalism (New York 2003).

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